NRW-ENERGIEWENDE: FORTSCHRITTE, ABER KEIN SELBSTLÄUFER

Zwei Jahre ist die schwarz-grüne Landesregierung im Amt. Seitdem gibt es für die Solarenergie einen deutlichen Aufschwung, der bei der Windenergie erst in Ansätzen zu sehen ist. Keine Fortschritte gibt es dagegen bei der Bioenergie, Wasserkraft und Tiefengeothermie.

Das zweijährige Dienstjubiläum der schwarz-grünen Landesregierung fällt in diesen Tagen mitten in die laufende Fußball-Europameisterschaft. „Die erste Hälfte ist ganz gut angelaufen, was wirklich geschafft ist, zeigt sich aber erst nach Abpfiff der zweiten Halbzeit, sprich am Ende der Legislaturperiode“, sagt Hans-Josef Vogel, Vorsitzender des Landesverbandes Erneuerbare Energien NRW (LEE NRW) zur Zwischenbilanz beim Klimaschutz und dem Ausbau Erneuerbarer Energien. Vor allem den „stark beschleunigten Ausbau Erneuerbarer Energien“ hatte die Landesregierung vor zwei Jahren in ihrem Koalitionsvertrag zu einem ihrer wichtigsten energiepolitischen Ziele erklärt.

Bislang hat es diesen „Ausbau-Turbo“, so LEE-Vorsitzender Vogel, allenfalls bei der Solarenergie gegeben: Im fast abgeschlossenen ersten Halbjahr (Stichtag: 24. Juni*) sind nach vorläufiger Auswertung der Meldungen im Marktstammdatenregister landesweit 89.410 neue Solaranlagen mit einer installierten Leistung von 909 Megawatt (MW) in Betrieb gegangen. Hans-Josef Vogel: „NRW liegt damit über den Rekordwerten aus dem Vorjahreszeitraum. Das Land könnte bei der Solarenergienutzung allerdings ein gutes Stück weiter sein, wenn endlich, wie im Koalitionsvertrag angekündigt, der Ausbau der Freiflächen-PV vorrangig auf belasteten oder versiegelten Flächen und durch Doppel-Nutzungen wie Floating-PV, Agri-PV oder PV über Parkplätzen gezielt vorangetrieben würde.“ Dazu sei es wichtig, dass die Landesregierung eigene Ausbauziele für die Photovoltaik in dieser Legislaturperiode setze.

Bei der Windenergie setzt sich der im vergangenen Jahr schon zu beobachtende leichte Aufwärtstrend in den ersten sechs Monaten (Stichtag: 24. Juni*) weiter fort: Bis Mitte dieses Jahres verzeichnete NRW einen Brutto-Zubau von 52 neuen Anlagen mit zusammen 257 MW Leistung. Im ersten Halbjahr des Vorjahres waren 46 Windenergieanlagen mit 209 MW Leistung neu ans Netz gegangen.

Wichtige angekündigte Vorhaben wie die Festlegung der Flächenziele für künftige Windenergiegebiete im Landesentwicklungsplan, das Bürgerenergiegesetz, die Novelle der Landesbauordnung mit der Öffnung für Erneuerbare Energien in Industrie- und Gewerbegebieten oder der Artenschutzleitfaden sind umgesetzt worden.

Allein im ersten Halbjahr (Stichtag wiederum: 24. Juni*) sind 196 Windenergieanlagen mit zusammen 1.146 MW Leistung genehmigt worden – kein anderes Bundesland kann höhere Genehmigungszahlen in diesem Zeitraum vorweisen. Doch um die landeseigenen Ziele zu erreichen, ist ein noch dynamischerer Ausbau in der zweiten Hälfte der Legislaturperiode erforderlich. Die bisherigen Erfahrungen zeigen, dass es heutzutage typischerweise zwei Jahre dauert, bis genehmigte Anlagen in Betrieb gehen.

Ministerpräsident Hendrik Wüst hat auf dem Sommerfest der CDU-Landtagsfraktion Mitte Juni betont, dass die Landesregierung an ihrem Ziel festhalte, dass in dieser Legislaturperiode mindestens 1.000 Windenergieanlagen zusätzlich in Betrieb gehen. In den ersten rund zwei Jahren Regierungsverantwortung unter Schwarz-Grün sind landesweit 218 Windenergieanlagen neu ans Netz gegangen. „1.000 neue Anlagen sind nur mit einer schnelleren Ausweisung weiterer Flächen, einer gezielteren Beratung der Kommunen sowie einer Beschleunigung, Entbürokratisierung und Digitalisierung bei den Genehmigungsverfahren zu schaffen“, so Verbandschef Vogel.

Das neue Bundesimmissionsschutzgesetz, mit dem die Bundesregierung den Beschleunigungshebel bei Genehmigungsverfahren umlegen will, ist dabei ein erster wichtiger Schritt. Für den LEE-NRW-Vorsitzenden Vogel steht fest:„ Kein Genehmigungsverfahren darf künftig länger als ein Jahr dauern.“

Dicker Wermutstopfen nach zwei Jahren schwarz-grüner Regierungsverantwortung ist der immense Nachholbedarf beim Ausbau der Bioenergie, der Wasserkraft und der Tiefengeothermie. Bei der Tiefengeothermie hat die Landesregierung im April zumindest einen Masterplan für die künftige Nutzung der Erdwärme vorgelegt. Bis erste Projekte wirklich umgesetzt sind, dürfte es aber noch Jahre dauern. „All diese Energieerzeugungsformen ergänzen Wind- und Solarenergie hervorragend und dürfen nicht hinten runterfallen“, resümiert Hans-Josef Vogel. „Dass es bei Bioenergie und Wasserkraft bislang keinerlei Impulse gegeben hat, ist schon eine Enttäuschung.“

So lässt beispielsweise das im Koalitionsvertrag angekündigte Vorhaben, „möglichst [an] allen bestehenden Talsperren die Kraft des Wassers für die Energieversorgung nutzbar zu machen“, weiter auf sich warten. Bei der Bioenergie sollte es nach schwarz-grüner Vereinbarung, „ [zu einem] vermehrten Einsatz von Reststoffen, Bioabfällen und Gülle“ kommen. Bilanz nach zwei Jahren: Fehlanzeige.

Damit NRW weiterhin das Industrie- und Energieland Nummer eins bleibt, ist, so LEE-Vorsitzender Hans-Josef Vogel, „ein ausreichendes Angebot an preiswertem und umweltfreundlichem Ökostrom sowie auch perspektivisch von grünem Wasserstoff mitentscheidend. Dafür benötigten wir jede regenerative Kilowattstunde!“

*Angesichts der gesetzlichen vierwöchigen Meldefrist sind sämtliche Werte bis Ende Juli als vorläufig zu betrachten!

NRW-Windenenergieausbau 1. Halbjahr 2024

Quelle: Landesverband Erneuerbare Energien NRW e. V. (LEE NRW) vom 27.6.2024
www.lee-nrw.de

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