Netzvorrang der Erneuerbaren bedroht #erneuerbarejetzterstrecht

Als die drei Säulen des EEG gelten die Einspeisegarantie für Ökostrom, deren Einspeisevorrang und die garantierte Einspeisevergütung. Nach Berichten der britischen Zeitung „Guardian“ vom 2. November soll es in Brüssel Bestrebungen geben, eines dieser Standbeine, nämlich den Einspeisevorrang für Erneuerbare, zu kippen. Demnach solle das Stromnetz-Privileg grüner Energien ab dem Jahr 2020 aus der Erneuerbare-Energien-Richtlinie der EU gestrichen werden. Eine „bislang unveröffentlichte Folgenabschätzung der EU“ spreche zugleich davon, dass dies „die CO2-Emissionen um zehn Prozent in die Höhe treiben“ könnte, so die Zeitung weiter. Sollten diese Pläne der Brüsseler Kommission realisiert werden, wäre dies für das deutsche EEG so etwas wie der Todesstoß von hinten in den Rücken. Es würde den Zugang von Solar- und Windstrom blockieren bzw. erschweren und Kohle- und Atomstrom eine Atempause verschaffen. Eine Beihilfe zum Artenschutz für Kohle und Atom, dieses Mal aus Brüssel.

Dementsprechend empört reagieren Vertreter der europäischen wie der deutschen EE-Industrieverbände. Dies passe nicht zu den Beschlüssen der Pariser Klimakonferenz und konterkariere die Bemühungen um Dekarbonisierung.  Sollte die vorrangige Einspeisung ins Stromnetz tatsächlich gestrichen werden, wollen hochrangige Industrievertreter finanzielle Entschädigungen und einen Zugang zu Ausgleichsmärkten fordern, um die Branche vor dem Abstieg zu bewahren, gibt der Guardian die Stimmung wieder. Die Erzeuger fossilen Stroms und Befürworter der Standbein-weg Position sprechen hingegen von Wettbewerbsgleichheit. Erneuerbare Energien böten eh die niedrigsten Betriebskosten und hätten somit Vorrang bei der Einspeisung ins Netz, argumentieren sie. Außerdem würde ein Wegfall der Regelung in ihren Augen „wettbewerbsfeindliche Subventionen“ (gemeint ist, wie immer, die Einspeisevergütung, die eine Umlage und keine Subvention ist) beseitigen und „Negativpreise“ verhindern, durch die mehr Energie erzeugt als verkauft werde. Eine raffinierte Verdrehung der Tatsache, dass Kohle- und Atomstrom bereit heute die Netze verstopfen bzw. die europäischen Nachbarländer Deutschlands überschwemmen.

Interessant an dieser Entwicklung ist, dass Bundeswirtschaftsminister Gabriel noch vor einer Woche eine „schnellere Energiewende in Europa“ und einen verlässlichen Förderrahmen für die Erneuerbaren in der EU angemahnt hatte. Er wolle Planungssicherheit für die Energiewende und eine schrittweise Angleichung der nationalen Fördersysteme sowie eine Roadmap für deren Marktintegration bis 2030, schrieb er an den Kommissionspräsidenten und verwies auf das deutsche Modell mit dem Strommarktdesign 2.0.  Dies biete die Chance, die europäische Energiewende zu einem „Motor für Wachstum, Arbeitsplätze und Innovationen zu machen“ (nicht zu einem Motor des Klimaschutzes). 2050 sei nur noch zwei Investitionszyklen entfernt, daher seien schnelle Entscheidungen notwendig. Bereits in diesem Zusammenhang hatte BEE-Präsident Fritz Brickwedde vor über einer Woche erklärt, dass die konsequente Einhaltung des Einspeisevorrangs für Erneuerbaren Energien eine besonders wichtige Rolle spiele. „Der Einspeisevorrang unterstützt den Rückbau der starren fossilen Restlast und schafft gleichzeitig die jetzt nötige Sicherheit für Investoren.“ Das konnte als eine Mahnung an Gabriel verstanden werden.

Betrachtet man die Meinungsäußerung des Ministers isoliert, könnte der Eindruck entstehen, er habe mit der Brüsseler Initiative zur Beseitigung des Einspeisevorrangs nichts zu tun. Brickwedde hatte da wohl schon Übles geschwant. Nicht angesprochen hat er die Frage, dass Gabriels Investitionssicherheit beim nächsten Investitionszyklus ohne nennenswerten Ausbau der Erneuerbaren auskommen will. Auf diese Linie der Energiepolitik der Großen Koalition, nämlich den Fossilen noch einen Zyklus Artenschutz zu verschaffen, hatte die DGS schon mehrfach hingewiesen. Und dass der Energieminister und Vizekanzler der stärksten Wirtschaftsmacht der EU mit den Brüsseler Planungen nichts zu tun haben könnte, ist glaubt ja wohl niemand.

Quelle: Deutsche Gesellschaft für Sonnenenergie e.V., 4.11.2016
www.dgs.de

vgl. Bundesumweltminister Altmaier will an Einspeisevorrang für Erneuerbare Energien festhalten

s. Mit EEG-Beschluss betreiben Regierungsfraktionen Klientelpolitik für große Energieversorger – trotz aller Blockadeversuche: Regenerative Branche in NRW wird weiter mit vollem Einsatz für dezentrale Energiewende arbeiten!