Als erste Stadt Deutschlands zieht Münster sein Geld aus klimaschädlichen Unternehmen ab. Die deutsche Divestment-Bewegung hofft, dass der Stein damit ins Rollen gekommen ist und bald weitere Kommunen folgen.
Von Friederike Meier und Susanne Schwarz
Die letzten faulen Eier schmeißt Münster nächstes Jahr ein paar Tage nach Ostern weg. Ab dem 1. April 2016 gelten die am Mittwoch beschlossenen neuen Anlagerichtlinien der Stadt, nach denen öffentliches Geld nur noch nachhaltig angelegt werden darf. Münster ist damit die erste Stadt in Deutschland, die „Divestment“ betreibt, also ihr Geld aus der klimaschädlichen Industrie abzieht. Der Vorlage stimmten SPD, Grüne und Linke zu, die Stadträte aus CDU, FDP und AfD lehnten ab.
Künftig sind für Münster alle Unternehmen als potenzielle Investment-Ziele ausgeschlossen, die „Atomenergie erzeugen oder auf nicht nachhaltige und klimaschädliche Energien setzen“. Auch in Fracking-Bohrungen, Militärwaffen und Kinderarbeit darf Münster künftig kein Geld mehr stecken.
Nach Angaben der Stadtkasse Münster sind Anlagen von insgesamt rund 18 Millionen Euro betroffen, die derzeit auf zwei verschiedene Fonds verteilt sind. Der eine könne, erklärt Stadtkämmerer Frank Möller im Gespräch mit klimaretter.info, innerhalb eines Monats nach den neuen Kriterien ausgerichtet werden. Den anderen Fonds teilt sich Münster allerdings mit sechs weiteren Kommunen, darunter Bochum. Bis April muss die Stadt nun mit den Partnern darüber verhandeln, ob sie beim Divestment mitziehen – und im Zweifelsfall aussteigen.
Offenbar trifft es RWE
„Wir sind politisch an unseren Beschluss gebunden“, sagt Möller. Welche Unternehmen durch die Fonds bisher wie stark finanziert werden, will er auf Nachfrage allerdings nicht sagen. Andere sprechen etwa von RWE sowie den österreichischen und italienischen Energiekonzernen OVM und Enel.
Nun müssen externe Fondsverwalter ermitteln, welche Unternehmen den neuen Vorgaben entsprechen. Dabei streichen sie die Firmen von der Liste, die unter die Ausschlusskriterien fallen – also zum Beispiel Atomkonzerne oder Energieunternehmen der Kohlebranche. Danach sollen sie den sogenannten Best-in-Class-Ansatz nutzen: Unter den verbliebenen Unternehmen wird eine Rangfolge aufgestellt. Wer ein besonders nachhaltiges oder soziales Unternehmenskonzept hat, rutscht höher, wer zum Beispiel schon einmal durch Korruption aufgefallen ist, fällt nach unten, erläutert Stadtkämmerer Möller.
Eigentlich hätte der Divestment-Beschluss schon Anfang September in trockenen Tüchern sein sollen, nachdem der Finanzausschuss bereits im vergangenen Dezember einem entsprechenden Antrag von SPD und Grünen stattgegeben hatte. Die Vorlage vom Mittwoch regelt nur noch die Details und lässt den Beschluss damit wirksam werden. Auf Drängen der CDU-Fraktion war die Abstimmung jedoch vertagt worden. Die grüne Ratsfraktion vermutete strategische Gründe: Vielleicht, so spekulierte sie, wollte die CDU dem Vorhaben von SPD und Grünen kurz vor der Oberbürgermeisterwahl Mitte September keinen Erfolg bescheren. Durchgesetzt bei der Wahl hatte sich dann denkbar knapp der CDU-Kandidat Markus Lewe.
„Jetzt geht es endlich auch in Deutschland los“
Auch in der Sitzung vom Mittwoch habe es noch einmal einige Diskussionen gegeben, sagt der grüne Stadtrat Otto Reiners zu klimaretter.info. „Die CDU hat sich in ihrer Redezeit für die Kohle- und Atomenergie-Konzerne eingesetzt“, so Reiners. „Die FDP hat das finanzpolitische Risiko bei Investitionen in die Kohle zwar genauso groß eingeschätzt wie wir – aber dann zusammen mit CDU und AfD gegen den Antrag gestimmt.“ Nun hofft Reiners, dass dem Münsteraner Beschluss andere deutsche Kommunen folgen werden.
Besonders in der Hauptstadt macht sich die Divestment-Bewegung Hoffnungen. Zu Recht, wie Mathias von Gemmingen von der Gruppe Fossil Free Berlin findet. „Bisher hat sich Berlin herausgeredet, Divestment sei in den USA eben leichter als in Deutschland, hier gehe das nicht“, so der Aktivist. „Jetzt können wir sagen: Lieber Herr Finanzsenator, rufen Sie doch mal bei den Kollegen in Münster an, die helfen Ihnen sicher.“ Zuletzt, so von Gemmingen, habe der Berliner Finanzsenator Matthias Kollatz-Ahnen (SPD) den Eindruck erweckt, dass er sich hinter den Kulissen bereits für den Ausstieg aus fossilen Finanzen einsetze.
Außerdem rate die Enquete-Kommission „Neue Energie für Berlin“ dem Berliner Senat in einem bisher unveröffentlichten Zusatzkapitel ihres Abschlussberichts zum Divestment, heißt es bei Fossil Free. Den Bericht will die Expertengruppe am 11. November auf einer Podiumsdiskussion vorstellen. Weltweit haben bereits 58 Städte zugesagt, ihr Geld aus den fossilen Branchen abzuziehen. „Jetzt geht es endlich auch in Deutschland los“, freut sich von Gemmingen.
Quelle: www.klimaretter.info , 5.11.2015