Ausbau der Photovoltaik muss verfünffacht werden – konkrete Schritte notwendig
Die Koalitionsverhandlungen von CDU, CSU und SPD über eine Regierungsbildung haben am 26. Januar in Berlin begonnen und sollen bis Februar dauern. Als Grundlage der Gespräche dienen die Ergebnisse der zuvor abgeschlossenen Sondierungsverhandlungen. In der Energiepolitik hatten sich die Parteien auf ein 65-Prozent-Ziel bei erneuerbaren Energien bis 2030 verständigt. Das Solar Cluster Baden-Württemberg begrüßt die Ergebnisse zum Ausbau der erneuerbaren Energien, fordert nun aber konkrete Schritte, um das Ziel auch erreichen zu können. „Ziele ohne eine entsprechende Unterfütterung mit adäquaten Maßnahmen hatten wir schon genug“, sagt Jann Binder, Geschäftsführer des südwestdeutschen Branchenverbandes. Nach Vorstellungen des Solar Clusters soll unter anderem das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) vereinfacht werden, der Förderdeckel von 52 Gigawatt installierter Leistung wegfallen und der Zielkorridor für den Photovoltaikausbau auf 10 Gigawatt pro Jahr steigen. Das alles sei ohne eine Erhöhung der EEG-Umlage machbar, so Binder.
In den vergangenen 5 Jahren installierten die durch die gesunkene Einspeisevergütung und öffentliche Kritik an der Solarstromerzeugung verunsicherten Deutschen im Schnitt rund 2 Gigawatt Photovoltaikleistung pro Jahr. Das ist nur noch ein Viertel des Zubaus von 2012. Einen triftigen Grund gibt es nicht, Solarstromanlagen erzielen weiterhin einen guten Gewinn und werden kontinuierlich günstiger. Jetzt könnte wieder Schwung in die festgefahrene Situation kommen. „Um das neu vereinbarte 65-Prozent-Ziel zu erreichen, benötigen wir ab sofort bis 2030 jedes Jahr rund fünfmal so viel neu errichtete Solaranlagen“, erklärt Jann Binder. Der Branchenverband leitet die notwendigen jährlichen Ausbauzahlen für die Photovoltaik aus der aktuellen Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien und den Energiewendezielen für 2030 ab.
Im Jahr 2017 wurden 36 Prozent des Stromverbrauchs mit erneuerbaren Energien gedeckt. Wind und Photovoltaik kamen zusammen auf 24 Prozentpunkte, Biomasse und Wasserkraft auf 12 Prozentpunkte. Da Biomasse- und Wasserkraftnutzung über kein Wachstumspotenzial mehr verfügen, muss der Stromanteil aus Wind und Photovoltaik bis 2030 um 29 auf 53 Prozent steigen. Das ist mehr als eine Verdoppelung im Vergleich zu heute – auf jeweils rund 120 Gigawatt installierter Leistung für Windkraft und Photovoltaik. Ende 2017 waren rund 43 Gigawatt Photovoltaik und 56 Gigawatt Windenergie installiert. Der voraussichtlich mit der Wärmewende und dem Ausbau der Elektromobilität steigende Strombedarf ist bei diesem Szenario berücksichtigt. Angesichts der hohen Akzeptanz von Photovoltaikanlagen sowie dezentraler Bereitstellung von Strom kann die Photovoltaik einen wichtigen wirtschaftlichen Beitrag zur Energiewende leisten, der zudem für die überregionalen Netze unkritisch ist.
Im Koalitionspapier sollte festgehalten werden, dass die Bundespolitik künftig stetig positive Signale für mehr Photovoltaik und Windkraft setzen soll, fordert der Solar Cluster. Es ist deutlich mehr nötig als einzelne, kurzfristige Sonderausschreibungen: Investoren benötigen eine kontinuierliche Förderstrategie, die Errichtung vor allem großer Solaranlagen benötigt eine lange Vorlaufzeit und viele Genehmigungsverfahren.
Für die Photovoltaik schlägt der Branchenverband daher vor: Der 52-Gigawatt-Deckel für die Förderung von Photovoltaikanlagen muss wegfallen. Auch der politisch unterstützte jährliche Zubau von Photovoltaikanlagen in Höhe von rund 2,5 Gigawatt installierter Leistung sollte auf 10 Gigawatt erhöht werden, davon 3 Gigawatt über Ausschreibungen für PV-Freiflächenanlagen. „Auch die flexible monatliche Degression der Einspeisevergütung bedarf dann einer Anpassung an das erhöhte Zubauziel“, so Binder. Werden derzeit die Zubauzahlen überschritten, sinkt die Einspeisevergütung im Folgequartal stärker ab, gibt es weniger neue Photovoltaikanlagen als erhofft, reduziert sich die Einspeisevergütung langsamer oder steigt im Extremfall sogar. Darüber hinaus müsse das EEG vereinfacht werden, insbesondere die EEG-Umlage auf Eigenverbrauch wegfallen und die Direktlieferung als Eigenverbrauch eingestuft werden. So könnte die Politik neue Geschäftsmodelle für die nachhaltige lokale Stromversorgung im Quartier anregen.
Eine Verdopplung der Photovoltaikanlagen in Deutschland müsste nach Abschätzung des Solar Clusters Baden-Württemberg keine Erhöhung der EEG-Umlage zur Folge haben. Der Grund sind die aktuell nur noch geringen Kosten für Photovoltaikanlagen. Für jedes zusätzliche Gigawatt Photovoltaik erhöht sich die EEG-Umlage nur noch um weniger als 0,013 Cent pro Kilowattstunde. Das wären bei zusätzlichen 50 Gigawatt Leistung rein rechnerisch insgesamt 0,6 Cent. Im Fall einer CO2-Abgabe von 30 Euro pro Tonne Kohlenstoffdioxid würde die Umlage sogar sinken.
Daher sollte die Politik die Finanzierung der Energiewende überprüfen und auf mehr Schultern als denen der Stromverbraucher umlegen. Das Solar Cluster begrüßt aus diesem Grund ausdrücklich die ursprünglich im Ergebnispapier enthaltene Formulierung, dass die EEG-Umlage stabilisiert werden muss und der Staatsanteil an den variablen Stromkosten sinken soll.
Insgesamt muss laut Solar Cluster der Klimaschutz im energiepolitischen Zieldreieck Klimaschutz, Wirtschaftlichkeit und Versorgungssicherheit stärkeres Gewicht erhalten. Dank enormer Lernkurven mit einer Kostenreduktion von rund 70 Prozent von 2009 bis 2016 für die Photovoltaik hat sich gezeigt, dass diese heute mit hoher Wirtschaftlichkeit ausgebaut werden kann. Die Versorgungssicherheit wurde trotz zunehmendem Ökostromanteil aufgrund intelligenter Netzführung weiter ausgebaut. Nun sollte der Umbau der Energieversorgung stärker zum Zuge kommen: Die zu starke Betonung der Wirtschaftlichkeit und Versorgungssicherheit im Zieldreieck hat den weiteren Photovoltaik- und Windausbau und damit eine Zukunftsindustrie zu lange blockiert.
„Nötig sind nun positive Signale aus der Politik und ehrgeizige Ausbauziele, um die Energiewende umzusetzen und das 2-Grad-Ziel in den wenigen noch zur Verfügung stehenden Jahren zu erreichen“, fordert der Solar-Cluster-Geschäftsführer. Für Deutschland würden sich der Ausbau einer weltweit konkurrenzfähigen Industrie und die Senkung der Importkosten für fossile Kraftstoffe auch wirtschaftlich lohnen. Ohne einen Strukturwandel in der Energieversorgung wird es freilich nicht gehen. Eine fortlaufende Modernisierung, die konsequente Umsetzung von Innovationen und die Anpassung der Arbeitsplätze und -profile an die neuen Herausforderungen sind – wie in allen anderen Wirtschaftsbranchen auch – Voraussetzungen dafür, um auf dem Weltmarkt zu bestehen.
Quelle: Solar Cluster Baden-Württemberg e.V., 26.01.2018
www.solarcluster-bw.de
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