Der Landtag wird heute mit den Stimmen der schwarz-gelben Regierungsmehrheit das umstrittene Gesetz zum pauschalen 1.000-Meter-Abstand für neue Windenergieanlagen beschließen. Keine der Änderungen, die gleich mehrere Sachverständige bei einer Landtagsanhörung Ende Mai empfohlen hatten, wurde berücksichtigt.
Zukünftig können die neuen Mindestabstände schon für Ansiedlungen ab drei Wohngebäuden gelten. Damit bleiben im Land kaum noch Flächen für den Ausbau der Windkraft übrig. Auch das sogenannte Repowering, also der Ersatz bestehender durch weniger, aber weitaus effizientere Anlagen, wird unmöglich. Abgesehen von Bayern hat kein anderes Bundesland künftig solch strikte Restriktionen für den Windkraftausbau.
Deshalb spricht Reiner Priggen, Vorsitzender des Landesverband Erneuerbare Energien NRW (LEE NRW), von einem „schwarzen Tag“ für die weitere Windkraftnutzung im Land: „Statt des für den Klimaschutz unverzichtbaren Ausbaus der Windenergie werden wir in NRW in den kommenden Jahren einen Rückbau der installierten Windkraftkapazität erleben.“ Über 50% der in NRW aktuell geplanten Windprojekte gerieten so in Gefahr. Schon jetzt seien die Klima- und Energieziele des Landes angesichts zu langer Genehmigungszeiten und zu wenig für Windkraftnutzung ausgewiesener Flächen kaum noch zu erreichen. Priggen: „Mit dem heutigen Beschluss werden alle für 2030 angekündigten Ausbaupläne der Landesregierung für die Windenergie obsolet.“
Mit dem jüngsten Votum setzt sich für Priggen die „schwarz-gelbe Doppelbödigkeit beim Klimaschutz“ weiter fort: „Was hilft das mantrahaft wiederholte Bekenntnis zu den Pariser Klimazielen, wenn diese Landesregierung den Ausbau der Erneuerbaren Energien immer wieder massiv verhindert.“ Für die künftige Klimaschutzpolitik auf Bundesebene, die CDU-Ministerpräsident und Union-Kanzlerkandidat Armin Laschet im Falle eines Wahlsieges mitverantwortlich werden könnte, bedeute das schlechte Aussichten. „Armin Laschet selbst hat mehrfach betont, er wolle den Bund so regieren wie jetzt das Land, wenn er gewählt würde“, erinnert Priggen an Äußerungen des NRW-Regierungschefs: „Für die Energie- und Klimapolitik macht uns das Angst.“
Eine „große Selbsttäuschung“ hält der LEE NRW-Vorsitzende den Verantwortlichen von Schwarz-Gelb vor, die insbesondere zu Jahresbeginn zufrieden darauf verwiesen hatten, „dass NRW bundesweiter Spitzenreiter beim letztjährigen Windkraftausbau gewesen ist.“ Diese von vielen Windkraftexperten unerwartete Entwicklung, die auf den schwächelnden Ausbau in den führenden Windkraftländern Niedersachsen, Schleswig-Holstein und Brandenburg zurückzuführen war, ist von der Wirklichkeit wieder eingeholt worden: In den ersten sechs Monaten sind landesweit lediglich 37 neue Windenergieanlagen mit einer Leistung von gut 141 MW errichtet worden. Im Vergleich mit den anderen Bundesländern landet NRW damit auf Rang 4, besagt eine vorläufige Auswertung der Fachagentur Windenergie an Land.
Während Armin Laschet unverdrossen vom Ziel eines „klimaneutralen Industrielandes“ redet, gefährdet er nach Auffassung des LEE NRW nicht nur das Klima, sondern auch die Versorgungssicherheit im Land. Denn ohne sauberen Strom wird das Energieland NRW nicht mehr genug Strom haben, um Industrie und Haushalte nachhaltig zu versorgen. Wie unangemessen und überzogen die neuen Abstandsregeln sind, zeigt sich auch bei einer Petitesse: Der 1.000-Meter-Abstand wird auch für Kleinwindanlagen gelten, die in der Regel keine Gesamthöhe von 30 Metern aufweisen. Analog zur umstrittenen 10-H-Abstandsregelung in Bayern heißt das umgerechnet: Für die Minis unter den Windenergieanlagen könnte es künftig in NRW eine 33-H-Abstandsregel geben – deutlicher kann eine Landesregierung ihre Ablehnung der Windenergie nicht offenbaren.
Quelle: LEE NRW, 1.07.2021
www.lee-nrw.de
vgl. KEIN AUFWIND FÜR DIE WEITERE WINDENERGIE IM LAND – IM GEGENTEIL
s. PRESSEMITTEILUNG EcofinConcept realisiert Vermarktung von 6,9 MWp grossen Solarparks
s. STATEMENT DES LEE NRW ZUM GEPLANTEN NRW-KLIMASCHUTZGESETZ
auch GESUCHT Flächen und Projektrechte für Solarparks
s. “NRW-KLIMA- UND WINDKRAFTPOLITIK NICHT MEHR ZEITGEMÄSS”
s. KLIMASCHUTZGESETZ NRW: LEE NRW FORDERT BESCHLEUNIGTEN AUSBAU DER ERNEUERBAREN ENERGIEN
s. Bahnbrechendes Klima-Urteil des Bundesverfassungsgerichts
vgl. LEE NRW zu den geplanten Abstandsvorgaben für Windenergieanlagen
vgl. Anpassungen des EEG 2021 bleiben hinter Ankündigungen zurück
vgl. NRW-REGIERUNG BLEIBT BEIM KLIMASCHUTZ WENIG AMBITIONIERT
s. Neue Kooperation für Windkraft und “grünen” Wasserstoff entlang der Küste