Letzte Woche stand ganz im Zeichen des deutschen Bemühens um Klimaschutz – oder zumindest der vollmundigen Versprechen. Am Dienstag ließ sich Ursula von der Leyen nach einem wortgewaltigen Klimaschutzplädoyer zur Präsidentin der Europäischen Kommission wählen. Am Donnerstag kam das so genannte Klimakabinett der Bundesregierung zusammen, um über Instrumente zum Erreichen der Klimaziele zu sprechen.
Seit geraumer Zeit diskutiert Deutschland verschiedene Ansätze im Kampf gegen die Klimakrise. Die vermeintlich neueste Idee ist Ursula von der Leyens Grenzsteuer: Eine Gebühr, die auf Importe nach Europa anfallen würde, wenn deren Produktion besonders klimaschädlich war. Im Gegenzug würden die Kosten europäischer Unternehmen, die teuer, weil klimafreundlich produzieren, bei der Ausfuhr kompensiert. Der angedachte Zoll jedoch ist nichts anderes als alter Wein in neuen Schläuchen: Erstmals lancierte Nicolas Sarkozy diese Idee in seiner Zeit als französischer Staatspräsident. Und was etwa mit Blick auf die amerikanische Regierung und ihren klimapolitischen Unwillen erst einmal attraktiv scheinen mag, ist in der Praxis schwer umsetzbar.
Anklang bei Umweltschützern bis Unternehmen findet derweil die Idee einer sektorübergreifenden CO2-Bepreisung. Umweltministerin Svenja Schulze hat ein Konzept vorgelegt, das ab 2020 jede emittierte Tonne CO2 mit einem Preis von 35 Euro versieht. Binnen zehn Jahren soll der Preis auf 180 Euro steigen. Das ist der vom Umweltbundesamt (UBA) errechnete Preis für das Jahr 2016 nach Internalisierung aller Kosten. Den CO2-Ausstoß mit einem Preis zu versehen ist nebenbei alles andere als revolutionär: Mittlerweile sind bereits rund 20 Prozent aller globalen Treibhausgasemissionen eingepreist. Belgien und Luxemburg diskutieren eine Abgabe auf Kohlendioxidausstoß ebenso wie China, Japan oder Kanada.
Die Einnahmen aus der deutschen Abgabe sollen auf sozial ausgewogene Weise rückverteilt werden – etwa durch eine Kopfpauschale oder eine Stromsteuersenkung. Energieexpertin Claudia Kemfert sagte in einem Interview mit dem Deutschlandfunk, dies sei eine schnelle, praktikable Lösung und deshalb der Einführung eines nationalen Emissionshandels überlegen. Auch der wissenschaftliche Beirat des Wirtschaftsministeriums und die Umweltministerin sprachen sich für einen solchen Preis aus.
Scheer’sche Schadstoffsteuer
An der einfachsten Emissionsminderung für Deutschland geht der Vorschlag leider vorbei: So sind die größten Verursacher von Treibhausgasemissionen hierzulande, Energieerzeugung und Industrie, nicht in das CO2-Preis-Modell einbezogen. Unabhängig davon schließt es klimaschädliches Verhalten nicht aus: Die Lenkungswirkung, deren Korridor laut Bundesumweltministerium (BMU) zwischen 19 und 74 Millionen Tonnen CO2 im Jahr 2030 liegt, ist erkennbar schwer zu bestimmen. Damit könnte dem CO2-Preis dasselbe blühen wie der Ökosteuer, deren Lenkungswirkung begrenzt und deren Akzeptanz gering ist.
EUROSOLAR-Gründer Hermann Scheer erklärte schon vor fast zehn Jahren, dass Öko- und CO2-Steuern die vorhandenen Energiesteuern nur ergänzen, doch keine grundlegende Umstellung der gesamten Energiebesteuerung darstellen können. Seine Idee war, alle Energiesteuern einschließlich Ökosteuer durch eine Schadstoffsteuer zu ersetzen, deren Höhe sich nach dem tatsächlichen Schadstoffausstoß richtet und entsprechend differenziert wird. In seinem Buch „Der Energethische Imperativ“ thematisiert er auch das Akzeptanzproblem: Jede Steuer wird als Belastung wahrgenommen – selbst dann, wenn sie dem Abbau von Umweltlasten diene.
„Wenn jedoch die Energiearten nach ihrer tatsächlichen Schadenswirkung (CO2-Ausstoß, Gesundheitsgefährdung, atomare Rückstände, Wasserverschmutzung, u.a.m.) besteuert werden, führt das zu einer Niedrig- oder Nullbesteuerung solcher Energien, die wenig oder gar keine Schadstoffe enthalten“, schreibt der Energiewende-Pionier. Der Nutzen einer ökologischen Wirtschaftsweise werde damit in einzelwirtschaftliche Anreize übersetzt. Vorrausetzung für die Einführung einer Schadstoffbesteuerung sei die Entwicklung einer Schadstoffformel, die konkrete Umweltbelastungen wissenschaftlich begründe und öffentlich nachvollziehbar mache.
Nur mit EEG geht es
Im Herbst wird die Regierung nun ein Gesetzespaket vorlegen. Dabei darf im Eifer aller Debatten um das Ausgestalten einer CO2-Bepreisung eines nicht vergessen werden: Ein wie auch immer gearteter CO2-Preis kann nicht als Ersatz für das Erneuerbare-Energien-Gesetz gehandelt werden. Dafür ist er nicht zuverlässig genug, denn er unterliegt der Willkür wechselnder Regierungsmehrheiten.
Nur das EEG bietet Investoren die Planungssicherheit, die sie für den weiteren Ausbau der Erneuerbaren Energien mit Kommunen, Stadtwerken, Mittelstand und Bürgern brauchen. Das EEG ist und bleibt das entscheidende Werkzeug, um den Ausbau der Kapazitäten in der Fläche und unter breiter Beteiligung von Kommunen, Stadtwerken, kleinen und mittelständischen Unternehmen und Bürgergesellschaften voranzutreiben. So funktioniert ernst gemeinter Umweltschutz.
Quelle: Eurosolar, 23.7.2019
www.eurosolar.de
vgl. Erneuerbare sichern zunehmend die Energieversorgung
s. Rostock Wind 2019: Bundespolitik muss Energiewende wieder auf Kurs bringen
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s. Deutscher Energie- und Klimaplan hinkt der aktuellen Diskussion meilenweit hinterher
vgl. Kampagne der INSM legt es auf die Sabotage der Energiewende und politischer Maßnahmen an