Wer bei der zweiten Ausschreibung für Freiflächen-Photovoltaik die Nase vorn hatte, war bereits Mitte August verkündet worden. Den Preis allerdings, zu dem die 150 Megawatt weggingen, nannte die Bundesnetzagentur erst jetzt. Grund: ein anderes Preisverfahren, das offenbar Zocker anlockt.
Aus Berlin Jörg Staude
Freunde englischsprachiger Fachbegriffe kommen bei den Solarausschreibungen derzeit auf ihre Kosten. Der Grund, warum jetzt in der zweiten Runde zwischen Zuschlag und Preisverkündung gut drei Wochen lagen, sei die „Preisbildung nach dem Einheitspreisverfahren (uniform pricing)“, hatte die Bundesnetzagentur schon vorab gewarnt. Denn bis Anfang September hätten diejenigen Unternehmen, die erfolgreich geboten hätten, noch eine „Zweitsicherheit“ zu stellen – in Höhe von 50 Euro pro gebotenem Kilowatt. Bei einer durchschnittlichen Größe der Gewinner-Projekte von 4,8 Megawatt in Runde zwei ist das eine erkleckliche Viertelmillion Euro.
Offenbar haben alle rechtzeitig diese Sicherheit erbracht, denn Mitte der Woche verkündete die Netzagentur endlich den Preis, für den die 150 Megawatt Solarkapazität vergeben wurden. Er liegt bei 8,49 Cent je Kilowattstunde. Das ist kein Durchschnitt der erfolgreichen Gebote, das „uniform pricing“ funktioniert anders. Alle erfolgreichen Mitbietenden bekommen hier am Ende den Preis für die Kilowattstunde Solarstrom, den der geboten hat, der als „teuerster“ Letzter den Zuschlag erhielt. Entsprechend teilte die Bundesnetzagentur mit: Der höchste Gebotswert, der mit Erfolg teilnahm, und damit der Zuschlagswert für alle Gebote habe ebenjene 8,49 Cent betragen. Diese garantierte Einspeisevergütung werden die Unternehmen dann erhalten, wenn sie den Strom aus den noch zu bauenden Anlagen ins öffentliche Netz liefern.
Die Zahl von 8,49 Cent ist gleich mehrfach interessant. Zunächst liegt sie deutlich unter dem Wert, der bei der ersten Ausschreibung herauskam: 9,17 Cent für die im Frühjahr vergebenen 150 Megawatt. Damals wurde der Preis aber nicht nach dem erfolgreichen Letztgebot bestimmt, sondern es kamen die preiswertesten – man kann auch sagen: „billigsten“ – Anbieter zum Zuge. Das Vorgehen nennt sich „pay as bid“ – der glückliche Gewinner bekommt den Tarif gezahlt, den er in der Ausschreibung angeboten hat.
Niedrigstes Gebot: Ein Cent pro Kilowattstunde
Der Wechsel des Preisverfahrens „erzeugte“ also eine Preissenkung um knapp 0,68 Cent oder mehr als sieben Prozent für künftigen Solarstrom. Das hat selbstverständlich nichts mit geänderten wirtschaftlichen Bedingungen zu tun, sondern vor allem damit, dass das „uniform pricing“ offenbar zum Zocken einlädt. Das niedrigste Angebot in Runde zwei lag denn auch, wie die Bundesnetzagentur selbst offenlegte, bei sage und schreibe einem (in Zahlen: 1) Cent pro Kilowattstunde – für den Preis kann niemand eine rentable Solaranlage bauen und betreiben, so viel ist klar.
Die offensichtliche Einladung zur Harakiri-Taktik hatte die auf erneuerbare Energien spezialisierte Anwältin Margarete von Oppen bereits vor Wochen kritisiert. Eine Reihe von Projektierern sei „mit unrealistisch niedrigen Preisen“ in die zweite Runde gegangen und habe gehofft, „über den Einheitspreis von den teureren, realistischen Bietern noch hochgezogen zu werden“, hatte von Oppen im PV Magazin gewarnt. Ihrer Ansicht nach gibt es „momentan“ Projektierer, die sich „aus der Not heraus zu Niedrigstgeboten hinreißen lassen“. Auf der Strecke blieben dabei all die nachhaltigen Projekte, die auf realistische Preise setzten.
Auch die Netzagentur räumt in einem Hintergrundpapier ein, dass in der zweiten Runde „offensichtlich auch strategische Gebote abgegeben“ worden seien, „die nicht den wahren Grenzkosten der Freiflächenanlage entsprechen“. Zugleich frohlockt aber der Präsident der Behörde, Jochen Homann, der Zuschlagswert von 8,49 Cent liege deutlich unter der bis zum 1. September 2015 laut EEG geltenden Förderhöhe von 8,93 Cent je Kilowattstunde – dank „uniform pricing“. Das Pay-as-bid-Verfahren in der ersten Runde hatte das nicht geschafft, hier hatte der per Ausschreibung erzielte Preis noch über der zur damaligen Zeit geltenden EEG-Förderung gelegen.
Genossenschaften blieben außen vor
Bei den Grünen hält sich die Freude über den nunmehr „gedrückten“ Preis in Grenzen. Zwar seien die 8,49 Cent weniger als die zuletzt gültige Einspeisevergütung, allerdings hätten die Unternehmen jetzt zwei Jahre Zeit, um die Anlagen aufzustellen, erläutert die grüne Abgeordnete Julia Verlinden. In zwei Jahren aber werde die weiter sinkende EEG-Solarvergütung nur noch voraussichtlich 7,9 Cent betragen. „Je nachdem, wann die Betreiber die Anlagen wirklich aufstellen, ist die Ausschreibung also auch weiterhin teurer als die Einspeisevergütung mit der dynamischen Degression“, stellt Verlinden fest.
Viel mehr ärgert die energiepolitische Sprecherin der Fraktion allerdings, dass auch in der zweiten Runde Bürgerenergie-Projekte und Genossenschaften außen vor blieben. Das Solar-Geschäft werde jetzt „von mittelgroßen und großen Unternehmen übernommen“. Die Bürgerenergiewende bleibe auf der Strecke.
Langfristig wäre das verheerend. Die Erfahrungen aus den Photovoltaik-Ausschreibungen sollen bekanntlich in das ab 2017 generell für Erneuerbare geltende Ausschreibungsmodell einfließen. Anfang Dezember steht die nächste, die dritte Runde für die Freiflächen-Photovoltaik an. Diesmal sind sogar 200 Megawatt zu vergeben und es gilt „uniform pricing“. Es darf also wieder gezockt werden.
Quelle: klimaretter.info, 4.9.2015
www.klimaretter.info
s. Ergebnisse 2. PV-Ausschreibung: Bündnis Bürgerenergie kritisiert Verdrängung kleiner Bieter
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