Vor 100 Tagen hat die Landesregierung ihre Energieversorgungsstrategie 2.0 vorgestellt. Konkrete Maßnahmen zum beschleunigten Ausbau Erneuerbarer Energien lässt die Landesregierung seitdem vermissen, zieht der Landesverband Erneuerbare Energien NRW (LEE NRW) eine Zwischenbilanz.
„Viel angekündigt, nichts geliefert für den weiteren unverzichtbaren Ausbau der Erneuerbaren Energien.“ Mit diesen wenigen Worten lässt sich nach Einschätzung des LEE NRW nach 100 Tagen eine erste Bilanz der überarbeiteten Energieversorgungsstrategie 2.0 zusammenfassen, die die Landesregierung Mitte Dezember vorgestellt hat – und zwar, wie gewohnt, mit vollmundigen Worten.
Wörtlich hat der zuständige Fachminister Andreas Pinkwart damals gesagt: „Um die auf Bundes- und Landesebene angehobenen Klimaschutzziele zu erreichen, beschleunigen wir nun mit konkreten Maßnahmen den Ausbau von Windkraft und Photovoltaik und treiben den Umbau zum klimaneutralen Energiesystem der Zukunft voran.“
Von diesen Maßnahmen, resümiert Reiner Priggen, der Vorsitzende des Landesverbandes Erneuerbare Energien NRW (LEE NRW), „haben wir bislang noch nichts gesehen.“ Der LEE NRW hat erstmals ausgewählte für Erneuerbare Energien relevante Ankündigungen der Energieversorgungsstrategie 1.0 (aus dem Jahr 2019) und 2.0 mit dem aktuellen Stand der Umsetzung zusammengetragen und verglichen.
Wie beispielsweise die von Landesregierung im vergangenen Dezember angekündigte Verdoppelung der installierten Windkraftleistung von etwa 6.000 auf 12.000 Megawatt (MW) bis 2030 ohne zusätzliche Flächen, ohne die Nutzung von Wirtschaftsforsten und bei dem bestehenden pauschalen Mindestabstand von 1.000 Metern zwischen Windenergieanlagen und Kleinstsiedlungen gelingen solle, „haben Ministerpräsident Wüst und Energieminister Pinkwart bis heute mit keiner Silbe gesagt.“
Auch bei der Photovoltaik, deren Leistung im Vergleich zu heute bis Ende dieser Dekade auf 24.000 Megawatt vervierfacht werden soll, fehlen konkrete Maßnahmen: „Diese Landesregierung sperrt sich nicht nur gegen eine Solarpflicht für private Neubauten und Dachsanierungen, sondern lässt auch die in anderen Bundesländern angewendete Länderöffnungsklausel für die solaren Freiflächen-Anlagen auf benachteiligten Flächen bis heute ungenutzt“, moniert Christian Mildenberger, der LEE NRW-Geschäftsführer.
Die Energieversorgungstrategie 2.0 hat nicht dazu geführt, dass die Landesregierung die Erneuerbaren Energien in den Mittelpunkt ihrer Energiepolitik stellt. Auch die sich seit Wochen abzeichnende Preisspirale und Versorgungskrise durch die viel zu hohe Abhängigkeit von Energielieferungen aus Russland führen zu keinen Aktivitäten der Landesregierung beim Ausbau der Erneuerbaren Energien.
Das Fachwissen, wie hoch die Potenziale bei den Erneuerbaren Energien sind, ist veraltet. Die entsprechenden Potenzialstudien für Windenergie (2012), Solarenergie (2013), Biomasse (2014), Geothermie (2015) und Wasserkraft (2017) sind veraltet und überholt. Eine vom Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz für Anfang März angekündigte Präsentation einer neuen Potenzialstudie für die Windenergie ist Anfang März aus bis heute noch nicht bekannten Gründen kurzfristig zurückgezogen worden. Reiner Priggen: „Die Landesregierung redet gerne immer salopp über den Ausbau Erneuerbarer Energien daher. Sie praktiziert aber einen Blindflug, da sie um deren Potenziale wenig bis gar nichts weiß.“
Bei der Vorstellung der Energieversorgungstrategie hatte Minister Pinkwart angekündigt, dass NRW „als mit Abstand wichtigstes Energieland Taktgeber der Energiewende bleibe. „Schön wäre es“, sagt LEE-Vorsitzender Reiner Priggen, „neben den vielen Blockaden erleben wir bei den Erneuerbaren Energien immer nur vage Andeutungen, wie zuletzt beim vorgestellten Gigawattpakt für das Rheinische Revier.“
Die für diese Region angekündigten Windenergieanlagen sind auch mit in die angekündigte Verdoppelung der neu installierten Windkraftleistung von 12.000 MW bis zum Jahr 2030 eingeschlossen. Diese Verdopplung bedeutet für die kommenden Jahre einen durchschnittlichen Neubau von 750 MW, wird der Abbau älterer Anlagen im Zuge des sogenannten Repowerings berücksichtigt sind 1.000 MW Zubau notwendig. „1.000 MW bedeuten, dass jährlich 200 Anlagen der heutigen 5-MW-Anlagengeneration zugebaut werden müssen. Für diesen Bedarf hat die Landesregierung nicht für die notwendigen Flächenausweisungen gesorgt“, verweist Priggen auf Versäumnisse.
In der letzten Februarwoche hatte Robert Habeck, der für Wirtschaft und Klimaschutz neue Bundesminister, Nordrhein-Westfalen und NRW besucht. Im Rahmen dieses Termins hat Ministerpräsident Hendrik Wüst gesagt: „Die Energiewende gelingt oder scheitert in NRW.“ Recht hat er. So wie die Energieversorgungsstrategie 2.0 bislang umgesetzt bzw. nicht umgesetzt wird, muss eher von einem Scheitern ausgegangen werden.
Quelle: Landesverband Erneuerbare Energien NRW e. V. (LEE NRW) vom 29.3.2022
www.lee-nrw.de
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