Nach denkbar schlechten Installationszahlen der Photovoltaikbranche setzt die Bundesnetzagentur das stete Absenken der Solartarife im EEG aus. Damit soll der Markt wieder angekurbelt werden. Aber das ganze System steht auf der Kippe: Die Kommentierung der EEG-Gesetzgebung im kommenden Jahr endet heute.
Aus Berlin Nick Reimer
Jetzt tritt die Bundesnetzagentur auf die Bremse: Im August wurden hierzulande gerade noch Solaranlagen mit einer Gesamtkapazität von 244 Megawatt neu installiert. Das klingt viel im Vergleich zu anderen Monaten dieses Jahres, in denen die Zubauzahlen zuletzt unter die Marke von 100 Megawatt gefallen sind. „In den Zahlen ist aber ein Mitnahmeeffekt enthalten“, sagt der Sprecher des Bundesverbandes Solarwirtschaft David Wedepohl. Seit 1. September nämlich werden größere Freiflächenanlagen ausschließlich über das Ausschreibemodell vergütet. Viele Investoren hätten ihre Anlage schnell noch vor der Umstellung ans Netz bringen wollen.
In den Meldungen für August finden sich deshalb auch etliche größere Solarkraftwerke – insgesamt 177 Megawatt. Die normalen Kleinanlagen machen dagegen im August laut amtlicher Excel-Tabelle nur noch 66,7 Megawatt aus, ein neuer Negativrekord. Weil zusätzlich noch 22 Megawatt nachgemeldet wurden – die Anlagen waren bereits im August am Netz – kam die Bundesnetzagentur für den August auf zusammen 266 neu installierte Megawatt. Damit war am 1. September ein solarer Kraftwerkspark mit 39.275 Megawatt in der Bundesrepublik am Netz.
Klingt viel, stammt aber vor allem aus besseren Zeiten: In den ersten acht Monaten dieses Jahres kamen insgesamt nur 1.038 solare Megawatt dazu. Wurden zwischen Januar und August 2012 noch mehr als 4.900 Megawatt neu aufgebaut, so waren es 2013 immerhin noch halb so viel. Und davon ist es nun nicht einmal mehr die Hälfte.
Schwarz-gelbe Wirtschaftspolitik verschreckte Investoren
Die Bremsspur der Förderpolitik ist nun auch der Bundesnetzagentur aufgefallen. „Die Zubauzahlen der vergangenen zwölf Monate liegen mit etwa 1.437 Megawatt unterhalb des gesetzlich festgelegten Zubaukorridors von 2.400 bis 2.600 Megawatt“, räumt Peter Franke, Vizechef der Netzagentur, ein. Deshalb werden ab 1. Oktober die Solartarife nicht weiter gekürzt. Zuletzt waren die EEG-Vergütungssätze Monat für Monat um jeweils ein halbes Prozent zusammengestrichen worden. Je nach Größe der Solaranlage werden zurzeit den Investoren 20 Jahre lang gut acht oder knapp 13 Cent gezahlt. Haushaltsstrom kostet aber 26 Cent.
Schuld am Einbruch ist eine verfehlte Politik: Seit 2012 gibt es im Erneuerbare-Energien-Gesetz einen „Solardeckel“, der den Ausbau der Photovoltaik innerhalb eines jährlichen Korridors von 2.400 bis 2.600 Megawatt halten soll. Das ist nach hinten losgegangen – die Regelung verschreckte Investoren und störte die Planungssicherheit; heute bewegt sich der geförderte Zubau von Solarstrom-Anlagen auf einem so niedrigen Niveau wie seit 2007 nicht mehr.
„Der Zusammenbruch des Photovoltaik-Zubaus zeichnet sich schon seit Monaten ab, doch die Bundesregierung lässt Solaranlagenhersteller und Handwerker im Stich“, empört sich Julia Verlinden, bündnisgrüne Sprecherin für Energiepolitik im Bundestag. Verlinden glaubt nicht, dass der Schritt der Bundesnetzagentur geeignet ist, den Markteinbruch zu stoppen. „Neben einer zu schnellen Vergütungssenkung ist vor allem die Sonnensteuer – also die EEG-Umlage auf den von den Anlagenbesitzern selbst verbrauchten Strom – der wichtigste Grund für den wegbrechenden Ausbau“, so die Grüne.
Verband fordert: Keine Ausnahmen für Bürgergenossenschaften
„Seit drei Jahren wurde die Solarstromvergütung deutlich stärker gedrosselt, als die Produktionskosten sinken konnten“, erklärt Solarwirtschaftssprecher Wedepohl. Gleichzeitig sei die Zukunftsstrategie der Flexibilisierung der Stromabnahme durch die Belastung des Eigenstromverbrauchs mit der EEG-Umlage konterkariert worden. Wedepohl: „Eine umweltfreundliche und preiswerte solare Eigenstromversorgung wird dadurch insbesondere Unternehmern unnötig erschwert.“
„Der Niedergang des Photovoltaik-Ausbaus ist eine Niederlage der Bundesregierung, die ihre Ausbauziele deutlich verfehlt“, sagt Eva Bulling-Schröter, energie- und klimapolitische Sprecherin der Linksfraktion. Bulling-Schröter spricht von einem Desaster: „Diese Bilanz zeigt, dass der von der Bundesregierung eingeschlagene Kurs, die erneuerbaren Energien ‚wettbewerbsfähig‘ zu machen, keinen Erfolg hat.“
Dieser Kurs wird am morgigen Donnerstag ein neues Etappenziel erreichen: Heute ist die letzte Gelegenheit, das vom Bundeswirtschaftsministerium vorgelegte Eckpunktepapier zur Umstellung des EEG auf Ausschreibungen zu kommentieren. Im März will Minister Sigmar Gabriel (SPD) einen Kabinettsbeschluss zum EEG 2016 erreichen, ab 2017 soll es dann überall Ausschreibungstarife statt der bisher geltenden fest kalkulierbaren Einspeisevergütungen aus dem EEG geben.
Eine Gelegenheit, die der Branchenverband BDEW noch einmal nutzt: „Die künftige wettbewerbliche Ermittlung der Erneuerbaren-Förderung ist ein sehr gutes Instrument zur weiteren Marktintegration der erneuerbaren Energien“, behauptet BDEW-Chefin Hildegard Müller. Ganz wichtig ist dem Verband, in dem vorwiegend die Großindustrie organisiert ist: „Keine Ausnahmeregelungen für einzelne Akteursgruppen!“ Nur so könne „ein einfaches, transparentes und vor allem diskriminierungsfreies Auktionsdesign“ geschaffen werden, urteilt der BDEW.
Unter „einzelnen Akteursgruppen“ versteht der BDEW Bürgerwind- oder -solargenossenschaften.
Quelle: Online-Magazin klimaretter.info, 30.09.2015
www.klimaretter.info
mehr zum Thema: Solarvergütung wird nicht gesenkt
s. auch:Erste Runde Zocken beim Solarstrom
vgl. Neue NRW-Studie: Experten werten Ausschreibungen als großes Risiko für Bürgerenergie