BImSchG-Novelle: Neue Chancen für schnellere Windenergieprojekte?

LEE NRW

Die BImSchG-Novelle vom 3. Juli 2024 bringt erhebliche Änderungen im Genehmigungsprozess für Windenergievorhaben mit sich. Durch die neuen Regelungen soll die Dauer immissionsschutzrechtlicher Genehmigungsverfahren erheblich verkürzt und vereinfacht werden. Erfahren Sie, wie Sie die neuen Chancen optimal nutzen können und worauf Sie als Vorhabenträger achten müssen.

Mit dem Gesetz zur Verbesserung des Klimaschutzes beim Immissionsschutz, zur Beschleunigung immissionsschutzrechtlicher Genehmigungsverfahren und zur Umsetzung von EU-Recht vom 03. Juli 2024 hat der Gesetzgeber die sogenannte „BImSchG-Novelle“ auf den Weg gebracht, mit der insbesondere durch verschiedene Änderungen der Verfahrensregelungen im BImSchG und der 9. BImSchV die Dauer immissionsschutzrechtlicher Genehmigungsverfahren verkürzt und vereinfacht werden soll (BT-Drs. 20/7502, S. 2). Änderungen gibt es dabei insbesondere beim Ablauf des Genehmigungsverfahrens für Windenergievorhaben. Die Regeln zum Vorbescheid wurden vereinfacht und zudem die Regeln zum Repowering klarer gefasst. Der Katalog möglicher Nebenbestimmungen in § 12 BImSchG wurde erweitert und die Regelungen zum Erörterungstermin flexibilisiert.

Änderungen beim Ablauf des Genehmigungsverfahrens

Obgleich der Wortlaut des § 10 BImSchG immer länger wird, hat der Gesetzgeber in dessen einzelnen Absätzen mehrere Beschleunigungspotenziale eingebaut. So lassen sich in dieser Vorschrift nunmehr insbesondere Regelungen zur elektronischen Antragstellung, zur Auslegung der Antragsunterlagen, zur Möglichkeit der Ersetzung von Stellungnahmen der Fachbehörden durch die Genehmigungsbehörde und zur Durchführung des Erörterungstermins als Onlinekonsultation (bzw. zum regelmäßigen Verzicht auf einen Erörterungstermin bei Windenergievorhaben, § 16 der 9. BImSchV) entnehmen.

Die Behörde kann nunmehr einen elektronischen Antrag verlangen und hierzu bestimmte Vorgaben machen. Die Antragsunterlagen müssen auf einer Internetseite der zuständigen Behörde ausgelegt werden. Dies setzt voraus, dass die entsprechenden technischen Voraussetzungen hierfür gegeben sind und auch einwandfrei funktionieren. Der Antragsteller ist gut beraten, die Funktionsfähigkeit der technischen Kanäle zu überprüfen, soweit ihm dies möglich ist. Die Befugnis der Genehmigungsbehörde, Stellungnahmen von Fachbehörden zu ersetzen, ist ein zweischneidiges Schwert, da die Genehmigungsbehörde entweder zu Lasten der zu beteiligenden Behörde zur Prüfung der Genehmigungsvoraussetzungen ein Sachverständigengutachten einholen oder selbst Stellung nehmen kann. Die Einholung von Sachverständigengutachten kann das Genehmigungsverfahren jedoch verzögern. Positiv zu bewerten sind hingegen die Regelungen zum Erörterungstermin. Hier hat es der Antragsteller regelmäßig selbst in der Hand, ob ein Erörterungstermin stattfindet (§ 16 Abs. 1 S. 3 der 9. BImSchV). Zudem kann der Erörterungstermin als Onlinekonsultation oder Video- bzw. Telefonkonferenz stattfinden (§ 10 Abs. 6 BImSchG), also flexibel auf die Situation der Beteiligten angepasst werden.

Praktisch relevant ist vor allem § 10 Abs. 6a BImSchG, wonach für die Entscheidung über die BImSchG-Genehmigung die auch schon bisher einschlägige Frist von drei bzw. sieben Monaten gilt, die nunmehr ohne das Einverständnis des Antragstellers nur einmalig um bis zu drei Monate verlängert werden kann. Diese Regelung, die eine Fristverlängerung seitens der Behörde erschwert, wird sich praktisch jedoch nur dann als effektiv erweisen, wenn der gesetzlich vorgegebene Zeitraum zur Bearbeitung des Genehmigungsantrags effektiv genutzt wird und insbesondere die Stellungnahmen der zu beteiligenden Behörden zeitig erfolgen.

Zudem wird in § 7 der 9. BImSchV nunmehr ausdrücklich definiert, wann Antragsunterlagen vollständig sind. Dies dürfte in der Praxis zu mehr Rechtsklarheit insbesondere bei der Berechnung von Fristen führen.

Erleichterungen beim Vorbescheid

Inhaltliche Erleichterungen gibt es beim Vorbescheid (§ 9 BImSchG). Eine vorläufige Gesamtprognose ist nunmehr bei Windenergievorhaben nicht mehr erforderlich, sodass einzelne Genehmigungsfragen auch ohne Einreichung umfangreicher Unterlagen vorab geklärt werden können. Auch eine Umweltverträglichkeitsprüfung ist nur noch in eingeschränktem Maße notwendig (§ 9 Abs. 1a S. 2 BImSchG). Der nunmehr verringerte Prüfungsumfang beim Vorbescheid kann zu einer wesentlichen Beschleunigung von Genehmigungsverfahren für Windenergievorhaben beitragen, weil so einzelne (konfliktträchtige) Genehmigungsfragen vorab geprüft werden können. Dies kann z. B. die luftverkehrsrechtliche Zulässigkeit (BT-Drs. 20/7502, S. 28) oder die Zulässigkeit nach dem Regional- und Flächennutzungsplan sein. Der Prüfungsgegenstand sollte vom Antragsteller möglichst präzise formuliert werden, damit auch tatsächlich nur dieser im Vorbescheidsverfahren zur Prüfung gestellt wird. In der Praxis dürfte es sich anbieten, die Anwendung des § 9 Abs. 1a BImSchG explizit zu beantragen, weil es auch weiterhin möglich ist, einen Vorbescheid nach § 9 Abs. 1 BImSchG zu beantragen. In der Gesetzesbegründung wird diesbezüglich davon ausgegangen, dass dem Vorbescheid nach § 9 Abs. 1a BImSchG keine rangsichernde Wirkung zukomme (BT-Drs 20/7502, S. 28 f.). Es darf bezweifelt werden, dass dies zutrifft. Gleichwohl wird man bei der Beantragung eines Vorbescheids nun ganz besonders auf die Aspekte des Prüfungsumfangs und einer rangsichernden Wirkung achten müssen.

Repowering

Die BImSchG-Novelle trifft beim Repowering (§ 16b BImSchG) einige begrüßenswerte Änderungen. Dies betrifft insbesondere die Definition des Repowerings (Erweiterung des Abstands zur Bestandsanlage auf 5 H) und die Klarstellung, dass eine Betreiberidentität zwischen dem Betreiber der Bestandsanlage und dem Betreiber der Neuanlage nicht bestehen muss. Allerdings bedeutet die Erweiterung des Abstands zur Bestandsanlage auf 5 H in § 16b Abs. 2 BImSchG nicht, dass damit auch automatisch ein entsprechendes Repowering bauplanungsrechtlich zulässig ist. In §§ 245e Abs. 3, 249 Abs. 3 BauGB wird nämlich auf die bisherige Definition des Repowerings (2 H) verwiesen. Damit entsteht eine Inkongruenz der Regelungen zum Repowering in § 16b BImSchG und in den entsprechenden Vorschriften des BauGB, was sich entgegen dem Beschleunigungsgedanken der BImSchG-Novelle in der Genehmigungspraxis eher hindernd auswirken dürfte. Es wird Rechtsunsicherheit im Genehmigungsverfahren provoziert, was vom Gesetzgeber, der durch die Änderungen des § 16b BImSchG explizit den Vollzug erleichtern wollte (BT-Drs. 20/7502, S. 21), so nicht intendiert worden sein kann. Hier ist der Gesetzgeber aufgefordert, schnellstmöglich für eine Anpassung der Normen des BauGB zu sorgen, um die Beschleunigung von Genehmigungsverfahren auch tatsächlich zu erreichen.

Des Weiteren ist die Einführung einer Genehmigungsfiktion für einzelne Fälle des Repowerings (nur geringfügige Änderung des Standorts, keine baulichen Veränderungen) in § 16b Abs. 9 BImSchG begrüßenswert. Hier hat der Gesetzgeber aufgezeigt, dass die Säumnis von Behörden auch die Fiktion von Genehmigungen zur Folge haben kann.

Änderung von Nebenbestimmungen

Mit § 12 Abs. 4 BImSchG wird eine Rechtsgrundlage für die Änderung von Nebenbestimmungen von Genehmigungen nach Eintritt der Bestandskraft der Genehmigung eingeführt. Die neue Regelung könnte beispielsweise bei naturschutzrechtlichen Kompensationsmaßnahmen, verkehrs- oder arbeitsschutzrechtlichen Anforderungen oder Nebenpflichten zu Messungen und betrieblicher Dokumentation Anwendung finden (BT-Drs. 20/7502, S. 21). Relevant wird das etwa dann, wenn der Betreiber nach Erteilung der Genehmigung eine naturschutzrechtliche Maßnahme durch eine andere Maßnahme ersetzt sehen will. Zudem kann in bestimmten, geeigneten Fällen auch unabhängig von dieser Neuregelung ein Änderungsantrag nach § 16 BImSchG gestellt werden, wenn sich z. B. aus neuen Regelungen zum Artenschutz (§ 45b BNatSchG, Artenschutzleitfaden) ergibt, dass nicht mehr alle Auflagen, die im Genehmigungsbescheid stehen, erforderlich sind.

Fazit

Ob die mit der BImSchG-Novelle intendierten Beschleunigungspotenziale sich tatsächlich positiv auf das Genehmigungsverfahren von Windenergieanlagen auswirken, wird sich in der Praxis erst zeigen müssen. Es bietet sich an, als Vorhabenträger das Genehmigungsverfahren engmaschig zu begleiten, um auf eine Beschleunigung hinzuwirken.

Quelle: Landesverband Erneuerbare Energien NRW e. V. (LEE NRW) vom 2.8.2024
www.lee-nrw.de

vgl. RED III: Gute Ansätze, aber Rückschritte beim Repowering

s. Bevölkerung (unter-)schätzt Solartechnik

s. Rasanter Anstieg von Neugenehmigungen, Umsetzungshürden senken

s. Branchentag Rhein/Main/Saar: Aufbruchstimmung spürbar

s. SOLARANLAGENVERORDNUNG (SAN-VO NRW) ENDLICH ERLASSEN!

s. BNetzA veröffentlicht Ergebnisse: Rekord bei Zuschlägen

s. Erneuerbare Energien haben im ersten Halbjahr 58 Prozent des Stromverbrauchs gedeckt

s. BDEW, VKU und Deloitte stellen Energiewende-Fonds vor

s. EEG-FINANZIERUNG: BEE MAHNT REFORM AN

s. NRW-ENERGIEWENDE: FORTSCHRITTE, ABER KEIN SELBSTLÄUFER

Verkaufsangebot Projekt Windkraftanlage ENERCON E-160

s. BWE kritisiert ausbleibende Ausschreibungsergebnisse

s. BWE veröffentlicht Informationspapier zu BImSchG

s. Argumente für Windenergie: Fakten statt Mythen

s. Energiewende vor Ort zahlt sich aus: Aktualisierter Wertschöpfungsrechner berechnet die Vorteile des Ausbaus Erneuerbarer Energien

s. BUNDESIMMISSIONSSCHUTZGESETZ: WILLKOMMEN IM 21. JAHRHUNDERT

vgl. Bundestag verabschiedet Bundesimmissionsschutzgesetz

Projektentwicklung Projektvermarktung Windparks Altanlagen Bestandwindparks Repowering

s. BImSchG-Novelle: Knoten bei wichtigen Regelungen geplatzt